06.05.2020 – Plenum
Hier könnt ihr das Video zu meiner Rede sehen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Corona-Krise stellt die Gesellschaft vor riesige Herausforderungen. Neben dem Gesundheitssektor ist es auch die wirtschaftliche Situation, die uns alle die Auswirkungen der Krise spüren lässt. Unternehmerinnen und Unternehmer, Angestellte und Selbstständige, sie alle haben ihre Verantwortung zur Eindämmung der Pandemie in den letzten Wochen und Monaten vorbildlich wahrgenommen, verbunden mit hohen Anstrengungen und zum Teil mit hohen Umsatzeinbußen. Dafür möchte ich ein herzliches Dankeschön sagen.
Dass die drastischen Maßnahmen notwendig und genau richtig waren, bestätigen uns jetzt die niedrigen Infektionszahlen. Das schnelle Handeln hat uns vor Zuständen, wie es sie in anderen Ländern gibt, bewahrt.
Gleichzeitig mussten von Anfang an schnellstens Hilfen für diejenigen geschaffen werden, die besonders unter dieser Situation leiden. Das sind in Hessens Wirtschaft die Einzelhändler, die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Dienstleister, die Kultur- und Kreativwirtschaft und natürlich auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Da gibt es z. B. den Buchladen in der Kleinstadt, der sich seit Jahrzehnten durch ein gutes Angebot und durch gute Aktionen gegen den Online-Versandhandel behaupten konnte. Die Schließung hat ihn hart getroffen. Es wird nicht erwartet, dass der Umsatzverlust wieder aufgeholt werden kann. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Es besteht das Risiko, dass der eine oder andere Kunde den Online-Buchhandel für sich entdeckt hat.
Dann gibt es noch den Solo-Selbstständigen, z. B. einen Fotografen, der seinen Umsatz hauptsächlich durch Veranstaltungsfotografie gemacht hat. Er hat nun seit Mitte März 2020 kein Einkommen mehr. Zwar kann er mit den Soforthilfen die Leasingkosten für sein Equipment abdecken, aber es bleibt ihm zur Deckung seines Lebensunterhalts nur Arbeitslosengeld II.
Das sind nur zwei Beispiele, wie es derzeit Unternehmen und Selbstständigen in Hessen gehen kann. Deshalb ist es richtig, dass das Land und der Bund schnellstmöglich Programme aufgelegt haben, um die Auswirkungen der Corona- Krise abzumildern. Das geschah mit dem obersten Ziel, unverschuldet in die Krise geratene Unternehmen zu unterstützen, damit die wirtschaftlichen Strukturen erhalten bleiben, Insolvenzen vermieden werden, Marken bestehen bleiben und natürlich auch die Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Die Landesregierung hat gute Instrumente geschaffen, um der Wirtschaft zu helfen. Sie reichen von Soforthilfen über Kredite und der Hilfe bei Steuern bis zu Bürgschaften. Auch das vom Bund angebotene Kurzarbeitergeld ist ein wichtiger Baustein.
Die Soforthilfen, bestehend aus Bundes- und Landesmitteln, sind dafür da, um kurzfristige Liquiditätsengpässe mit einem Zuschuss decken zu können. Es war übrigens die richtige Entscheidung, dass wir in Hessen mit dem Start des Programms einen Moment gewartet haben, damit jetzt mit einem Antragsverfahren sowohl die Bundes- als auch die Landesmittel abgerufen werden können. Das vereinfacht das Verfahren für die Unternehmen erheblich.
An dieser Stelle möchte ich auch ein großes Dankeschön an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien und in den Regierungspräsidien sagen, die das Wochenende teilweise durchgearbeitet haben, um diese Anträge zu bearbeiten. Vielen Dank.
Neben den Zuschüssen gibt es Kreditprogramme mit niedrigen Zinsen für kleine oder mittlere Unternehmen. Für größere Unternehmen hat die KfW Bankengruppe verschiedene Programme aufgelegt. Bei diesem klugen und aufeinander aufbauenden Mix aus Förderinstrumenten ist für die meisten Unternehmen etwas dabei, um die Auswirkungen der Corona-Krise abzumildern.
Trotzdem muss man manchmal noch einmal genauer hinschauen, um zu prüfen, wer derzeit durchs Raster fällt oder wer besonders betroffen ist. Das ist keine Frage: Gerade der Hotel-, Veranstaltungs- und Gastronomiebereich hat derzeit starke Einbußen. Das gilt gerade für die letzten Wochen, die sonnig waren. Wir alle hätten sie wahrscheinlich gerne im Biergarten oder bei unserem Lieblingsitaliener verbracht.
Diese Einnahmen sind weg. Es wird auch keine Nachholeffekte geben. Denn die Pizza, die wir letzte Woche nicht bestellt haben, werden wir nach der Wiedereröffnung nicht zusätzlich bestellen.
Deshalb ist es richtig, dass es jetzt klare Öffnungsperspektiven gibt. Wir werden auch nach der akuten Corona-Phase ein abwechslungsreiches Gastronomieangebot haben, und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch in den Innenstädten der kleinen und mittleren Städte sowie im ländlichen Raum.
Ein weiterer Bereich, bei dem genau hingeschaut werden muss, sind die Start-ups. Die Voraussetzung für viele Programme ist ein betriebswirtschaftlich gesundes Unternehmen vor dem Jahr 2020. Aber gerade für Start-ups ist das ein Kriterium, das nicht immer funktioniert. Denn ein neu gegründetes Unternehmen schreibt natürlich nicht von Anfang an schwarze Zahlen.
Deshalb gab es einen engen Austausch mit der Start-up- Szene in Hessen. Als Ergebnis gab es schon vor dem Programm der KfW das Programm Hessen-Mikroliquidität mit einer 100-prozentigen Haftungsübernahme und mit einem niedrigen Zins. Das ist vor allem für viele Start-ups sehr attraktiv, weil sie oftmals keine Hausbankbeziehung haben. Deswegen hilft das sehr stark.
Das zeigen auch die Antragszahlen. Der hohe Anteil kleiner Unternehmen mit bis zu vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Programm abgerufen haben, zeigt, dass das Programm genau dort wirkt, wo es gebraucht wird.
In einer besonderen Situation sind auch die Solo-Selbstständigen wie z. B. der eingangs genannte Fotograf. Viele Solo-Selbstständige haben zwar relativ geringe laufende Kosten, sie haben aber auch kaum Möglichkeiten, andere Einnahmen zu bekommen. Es bleibt nur der Weg zum Arbeitslosengeld II. Da wurde zwar der Zugang erleichtert, trotzdem bleiben Schwierigkeiten. Zum Beispiel findet die Einkommensprüfung bei Bedarfsgemeinschaften oder bei Partnern nach wie vor statt.
Es wäre deshalb für Solo-Selbstständige sehr hilfreich, wenn für die Absicherung der Lebensunterhalt bei den Soforthilfen angerechnet werden könnte. Das können wir in Hessen leider nicht einfach so machen. Da wir mit dem Soforthilfeprogramm auch Bundesmittel weiterleiten, sind wir an die Vorgaben des Bundes gebunden. Deshalb appellieren wir an die Bundesregierung: Lassen Sie es zu, dass die Lebensunterhaltskosten ebenfalls durch die Soforthilfe bezuschusst werden können. Sichern Sie so die Existenzen zahlreicher Solo-Selbstständiger, von Künstlerinnen und Künstlern und einem großen Teil der kreativ Schaffenden in Hessen.
Niemand von uns besitzt eine Glaskugel. Niemand kann mit Gewissheit sagen, wie sich das Virus weiter ausbreiten wird und welche Lockerungen welche Folgen haben werden. Diese Ungewissheiten müssen wir aushalten. Mehr denn je zeigt die aktuelle Situation, dass nicht alles berechenbar und vorhersehbar ist. Eines wissen wir aber jetzt schon, nämlich dass es kluge Programme und Ideen braucht, um die Folgen der Corona-Krise und die nie da gewesenen Auswirkungen auf die hessische Wirtschaft auch in naher Zukunft abzumildern.
Bei all den Konjunkturprogrammen und weiteren Hilfen für die Wirtschaft sind drei Punkte besonders wichtig. Es muss klipp und klar sein, dass es keine staatlichen Hilfen bei fortlaufenden Boni und Dividendenzahlungen gibt. Das wäre unmoralisch und einfach nicht vertretbar.
Mit den Konjunkturanreizen müssen vor allem Innovationen, die Digitalisierung und die Effizienz gefördert werden. Besonders wichtig ist: Mit den Konjunkturprogrammen muss gleichzeitig auch die Klimakrise gelöst werden. Ich zitiere:
Wir, …, appellieren daher an die Bundesregierung: 1.) Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Bewältigung der Corona- und der Klimakrise eng zu verzahnen“ …
Das ist kein Auszug aus einem Parteitagsbeschluss der GRÜNEN, sondern ein Aufruf von 60 Unternehmen zum Petersberger Klimadialog in der letzten Woche.
Die Unternehmen haben recht. Alle Konjunkturprogramme, die jetzt auf den Weg gebracht werden, müssen dazu führen, die hessische Wirtschaft zukunftsfähig zu machen und sie modern aufzustellen. Für diese nachhaltigen Hilfen setzen wir uns ein. – Vielen Dank.
Auszug aus dem Plenarprotokoll der 39. Sitzung, S.2899 – 2901
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