26.09.2019 – Plenum
Hier findet ihr das Video zu meiner Rede.
Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! Es gab eine Zeit, da vertrieben sich Schülerinnen und Schüler in der Pause die Zeit mit einem Kartenspiel. Das muss man heutzutage vielleicht erklären. Das Kartenspiel hieß Autoquartett, und einen Stich machte, wer das Auto mit den besten Leistungsdaten vorzuweisen hatte.
Das Kartenspiel stand sinnbildlich für die Autobegeisterung in Deutschland. Die individuelle Motorisierung war ein Synonym für Freiheit und die Führerscheinprüfung mit 18 der Einstieg in das Erwachsenenleben. So etwas ändert sich nicht von heute auf morgen. Aber die Demonstrationen in Frankfurt und die Debatte rund um die IAA zeigen doch, das Auto verliert insbesondere bei den jungen Leuten die Rolle des Statussymbols. Es ist ein Statussymbol, mobil zu sein: lokal, regional, aber auch global. Aber dafür braucht man nicht unbedingt ein Auto zu besitzen.
Eines hat man mit der IAA sicherlich geschafft – allerdings wahrscheinlich unbewusst–, nämlich dass die Frage gestellt wurde, wie die Mobilität der Zukunft aussieht; denn auch wenn es in den Messehallen noch um die alte, die autozentrierte Mobilität ging: Die Debatte, die in der Gesellschaft, auf den Podien und im Landtag geführt wird, dreht sich genau darum, wie die Verkehrswende aussehen kann, wie der Verkehr endlich klimaschonender wird und welche Politik dafür notwendig ist.
Nur ein Teil der Ewiggestrigen – wir haben es gestern schon gehört – ist immer noch der Meinung, dass der Verbrennungsmotor eine schillernde Zukunft hat und dass wir die IAA in dieser Form weiterhin brauchen. Sie halten an alten Konzepten fest, die selbst der VDA und die IAA anscheinend schon über Bord geworfen haben.
Der VDA hat in der letzten Zeit erklärt, dass sie ein völlig neues Konzept für die IAA erarbeiten wollen. Damit könnte der Verband tatsächlich weitsichtiger und moderner sein als die AfD und die FDP.
Aber warten wir ab, was bei den Ankündigungen herauskommt; denn eines steht fest: Die Zukunftsfähigkeit einer Automobilausstellung verbessert sich nicht dadurch, dass sie in Köln oder in Berlin stattfindet, sondern es braucht einen Neustart. Die IAA muss Teil der Verkehrswende werden, und es darf nicht in einer neuen Stadt eine alte IAA angeboten werden.
Warum sind Frankfurt und die Rhein-Main-Region als Standort so geeignet? An Hessen führt kein Weg vorbei, und die Rhein-Main-Region ist ein Verkehrsknotenpunkt. Für eine Mobilitätsausstellung eignet sie sich deshalb hervorragend. Die Region ist Mobilitätsdrehscheibe: auf der Schiene, auf der Straße, in der Luft und auch auf dem Wasser. Immer bedeutsamer wird auch der Radverkehr.
Es gibt in dieser Region die klassische Automobilindustrie, es gibt Carsharing-Anbieter, Mobilitäts-Start-ups und sogar Batteriehersteller, E-Bike-Hersteller, ÖPNV, Fernverkehr, Nahverkehr und vielleicht sogar – wer weiß – irgendwann Seilbahnen.
Hier ist die Vielfalt der Mobilität so deutlich wie in kaum einer anderen Region Deutschlands. Hinzu kommt, die Dichte und die Urbanität der Stadt Frankfurt sind außergewöhnlich. Gleichzeitig sind die Wege vom Stadtzentrum in die Vororte vergleichsweise kurz. In der Rhein-Main-Region gibt es mehrere nah beieinanderliegende Großstädte, und es gibt Mittelzentren und auch weniger urbanen Raum. Als „ländlichen Raum“ möchte ich das nicht bezeichnen. Am Beispiel dieser unterschiedlichen Gegebenheiten könnte man auf einer Mobilitätsausstellung wunderbar zeigen, dass es für den Weg von A nach B neue und umweltschonende Ideen gibt.
Wenn die IAA das annimmt, wenn sie sich von einer Automobilausstellung zu einer Mobilitätsausstellung entwickelt, hat sie auch wieder eine Zukunft.
Um noch einmal auf das am Anfang beschriebene Bild zurückzukommen: Vielleicht hat das gute alte Quartettspielen auf dem Schulhof gar nicht ausgedient, trotz Digitalisierung. Vielleicht sollte es aber einfach nur darum gehen, was den jungen Menschen wichtig ist: der ÖPNV, ICE, E‑Autos oder E-Bikes – ein Mobilitätsquartett eben. – Vielen Dank.
Auszug aus dem Plenarprotokoll der 22. Sitzung, S.1603 – 1604
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