23. Mai 2019

Das Wohlstandsversprechen wird immer mehr hinterfragt

23.05.2019 – Plenum

Hier könnt ihr das Video zu meiner Rede sehen.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal finde ich es gut, dass wir in der heutigen Aktuellen Stunde die Gelegenheit haben, über Grundsätze unserer Wirtschaftsordnung zu sprechen. Diese Gelegenheit ergibt sich nicht jeden Tag. Allerdings würde ich den Titel der Aktuellen Stunde leicht umformulieren. Der Titel sollte lauten: In Hessen gilt: klares Bekenntnis zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft.

Die soziale Marktwirtschaft ist unbestritten eine der größten Errungenschaften. Sie ist sozusagen der Mittelweg zwischen liberaler Marktwirtschaft und ungezügeltem Kapitalismus einerseits und der rein staatlichen Wirtschaftslenkung und dem Sozialismus andererseits. Dabei ist festzustellen, dass Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen, die durch Leistungsanreize und Konkurrenz entstehen, genauso wichtig sind wie die Schaffung des sozialen Ausgleichs, Solidarität und die Korrektur der Marktergebnisse, die ansonsten in eine falsche Richtung gehen.

Wir haben vorhin über die Paketbranche gesprochen. Ich finde, das ist ein hervorragendes Beispiel dafür, welche Ungleichheiten in einem unregulierten Markt existieren.

Werfen wir einmal einen Blick in die Geschichtsbücher oder auch in andere Länder. Es zeigt sich, dass die Frage der Eigentumsform nicht wirklich hilft. Außerdem war die Antwort der Kollektivierung bzw. der Verstaatlichung noch nie die Lösung. Trotzdem hat Kevin Kühnert einen wichtigen Punkt angesprochen. Sonst würde das nicht landauf, landab so heiß diskutiert werden.

Reden wir einmal nicht reflexartig über Sozialismus oder über Kapitalismus, sondern reden wir einmal über die Gesellschaft. In der Gesellschaft gibt es eine große Unsicherheit. Das Versprechen, dass unsere Wirtschaft Wohlstand für alle bringt, wird mehr und mehr hinterfragt.

Die Leute machen sich Sorgen um ihre Wohnung. Sie sind unsicher, ob sie von ihrer Arbeit noch leben können oder eine auskömmliche Rente haben werden. Jahrelang war das Wohlstandsversprechen für die Kinder und für die Enkelkinder: Damit ihr es einmal besser habt als wir. – Jetzt wächst die Unsicherheit, dass dieses Versprechen nicht eingehalten werden kann.

Außerdem gibt es Fehlentwicklungen, die nicht ignoriert werden können. Bei der Europawahl ist Thema, dass kleine Einzelhändler mehr Steuern zahlen müssen als große multinationale Unternehmen. Ein weiteres Beispiel sind die internationalen Automobilkonzerne, die tricksen und manipulieren und damit scheinbar auch noch durchkommen. Insofern ist die existierende Unsicherheit nachvollziehbar. Gegen diese Fehlentwicklungen muss die Politik etwas unternehmen.

Momentan steht die noch viel größere und drängendere Frage an, nämlich wie wir die soziale Marktwirtschaft angesichts der großen ökologischen Herausforderungen zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft umbauen. In unserem Wirtschaftssystem sind die Umwelt und die Nutzung der Ressourcen ein freies öffentliches und vor allem kostenloses Gut. Wir müssen nicht für langfristige Umweltfolgen bezahlen. Wir müssen der Erde auch nichts bezahlen, wenn wir Ressourcen entnehmen.

Deshalb haben sich die ökologischen Fehlentwicklungen wie die Klimakrise, das Artensterben oder auch die Ressourcenknappheit seit Beginn der Industrialisierung massiv beschleunigt. Um das zu korrigieren, helfen aber keine Kollektivierung und auch keine Verstaatlichungsdebatte.

Es hilft – darüber haben wir heute auch schon diskutiert –, wenn wir der Umwelt endlich einen Preis geben, beispielsweise durch eine CO2-Besteuerung. Wenn alle so leben wollen würden wie wir, dann bräuchten wir zweieinhalb Planeten. Diese haben wir ganz offensichtlich nicht. Deshalb müssen wir darauf Antworten geben: so viel Markt wie möglich, aber eben auch so viel Staat wie nötig. Die Politik soll Ziele vorgeben, muss Anreize setzen und muss vor allem auch Grenzen ziehen, aber möglichst wenig im Detail vorschreiben. Wir müssen das Ziel einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft erreichen Wie das geschieht, das soll dem Wettbewerb um die besten Lösungen überlassen sein. – Vielen Dank.

Auszug aus dem Plenarprotokoll der 13. Sitzung, S.868 – 869

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