23. November 2017

Konflikte bei verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen beenden

23.11.2017 – Plenum

Die Rede von Kaya Kinkel beginnt bei Zeitmarke 25:40

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Streit um die verkaufsoffenen Sonntage ist in dieser Runde nicht neu, er hat den Landtag in der Vergangenheit schon öfter beschäftigt und wird ihn auch in Zukunft noch häufiger beschäftigen. Fest steht aber, dass wir auf Landesebene nicht im luftleeren Raum entscheiden können, sondern natürlich den Sonntagsschutz aus der Verfassung berücksichtigen müssen.

Dass der Schutz des Sonntags und des anerkannten Feiertags nach wie vor gilt, das hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Berliner Ladenöffnungsgesetz noch einmal bestätigt. Vorrangig bei dieser Entscheidung war nicht der Grund der Religionsausübung, sondern vor allem die Arbeitsruhe und die Ermöglichung des sozialen Zusammenlebens. Genau das wird in unserer beschleunigten Gesellschaft immer schwieriger: zur Ruhe zu kommen, Zeit mit der Familie zu verbringen und einfach einmal richtig abzuschalten.

Dazu tragen natürlich auch die immer flexibleren Arbeitszeitregelungen bei, die ständige Erreichbarkeit und der steigende Druck in der Arbeitswelt. Wir GRÜNE finden es wichtig, den Sonntagsschutz auch weiterhin streng zu handhaben, insbesondere zum Schutz der Arbeitnehmerinnen – es sind überwiegend Frauen, die als Verkäuferinnen arbeiten –, aber auch zum Schutz der Arbeitnehmer.

Als Argument für die Sonntagsöffnungszeiten die Konkurrenz aus dem Internet zu nehmen, ist ein schwaches Argument. Egal, wie weit wir die Öffnungszeiten ausweiten, Internetshopping wird immer noch flexibler möglich sein. Wir GRÜNE sind deswegen strikt dagegen, diese Konkurrenz auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Öffnungszeiten aufzunehmen.

Die Entscheidung zu Berlin sagt ganz deutlich, eine Öffnung an einem Sonntag dürfe nicht dazu führen, dass dieser Tag ein Werktag wie jeder andere auch werde. Der Verkauf an einem Sonntag müsse einen Anlass über dieses reine Einkaufs- und Verkaufsinteresse hinaus haben. Die Regelung ist dadurch eindeutig: Sonntagsöffnungszeiten ohne Anlassbezug, nur um flexible Einkaufsmöglichkeiten zu schaffen, sind durch die gesetzgeberische Vorschrift nicht möglich.

Im Übrigen ist das auch nicht gewollt. Wir hatten die Diskussion über die Ladenöffnung an Heiligabend. Es hat sich ganz deutlich gezeigt, wo die Prioritäten der Gesellschaft liegen; denn eine überwältigende Mehrheit ist gegen eine Öffnung der Läden an Heiligabend.

Die Konkurrenz zum Internetshopping ist auf einer ganz anderen Ebene relevant, nämlich beim Wettbewerb um die Qualität, die Beratung und den Service. Hier hat der Einzelhandel einiges zu bieten und muss sich nicht verstecken. Am Ende hängt es natürlich auch wieder an jedem Einzelnen, ob er ein Buch im Internet bestellt und damit große Versandhäuser stärkt, oder ob er das Buch in einer Buchhandlung in der Innenstadt kauft.

Übrigens gehört zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit zum Onlineshopping auch, dass die Innenstädte zum Bummeln und zum Verweilen einladen. Dazu trägt das Programm „Stadtumbau in Hessen“ des Umweltministeriums erheblich bei und stärkt auch den Einzelhandel wesentlich mehr, als es z. B. reguläre sonntägliche Öffnungszeiten machen würden.

Es gibt nämlich bei der immer stärkeren Ausweitung der Öffnungszeiten auch den Effekt, dass kleine Anbieter, gerade auch bei dem Beispiel von Eiterfeld, und ladeninhabergeführte Geschäfte nicht mehr mithalten können und damit auch vor Ort eine weitere Konzentration auf die großen Ketten erfolgt.

Die GRÜNEN sehen aber auch die Diskussion, die es in den vergangenen Monaten um die verkaufsoffenen Sonntage gab. In einigen Kommunen ist die Sonntagsöffnung an Klagen der Gewerkschaften und der Kirchen gescheitert, da der enge Zusammenhang zu dem besonderen Anlass nicht immer klar erkennbar war.

Zwischenfrage Jürgen Lenders (FDP): Frau Kollegin, können Sie uns die Frage beantworten, wann das letzte Mal die große Reform der Ladenöffnungszeiten war und welche Bundesregierung damals die Verantwortung getragen hat? Können Sie uns sagen, wann das war?

Sehen Sie es mir nach, das weiß ich nicht. Aber das Thema ist das Ladenöffnungsgesetz in Hessen. Bei der Evaluation des Gesetzes in Hessen kommen wir auch dazu, uns darüber auszutauschen.

Wenn geplante Öffnungszeiten kurzfristig abgesagt werden müssen, weil sie gerichtlich untersagt werden, dann ist das ohne Zweifel eine ärgerliche Situation für alle Beteiligten, also die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer, die sich darauf eingestellt haben, und deren Familien und auch für die, die sich gefreut haben, sonntags einkaufen zu gehen, und natürlich auch für die Kommunen.

Die Verfahren sind auch eine Konsequenz daraus, dass es keine gesellschaftliche Einigung darüber gibt, was vor Ort an Sonntagen gewollt ist und was nicht. Die Gewerkschaften und die Kirchen haben natürlich eine ganz andere Vorstellung als die Unternehmensverbände. Wir GRÜNE sind der Meinung, dass sich diese Probleme am besten vor Ort lösen lassen, mit den Gewerkschaften, mit den Kirchen, mit dem Einzelhandel, den beteiligten Firmen und deren Betriebsräten.

Das ist der Unterschied zur FDP-Position. Ein runder Tisch auf Landesebene, so wie Sie ihn vorschlagen, mit der Beteiligung von Landtagsabgeordneten, wäre zwar politisch sichtbar, er würde aber im Zweifel die Probleme, die es vor Ort gibt, überhaupt nicht lösen.

Deswegen regen wir in unserem Antrag an, sich auf kommunaler Ebene mit allen Gruppen frühzeitig auf die maximal vier verkaufsoffenen Sonntage pro Jahr zu verständigen. Dass dies wirksam dazu führt, das Klagerisiko zu verringern, zeigt das Beispiel Rheinland-Pfalz. Dort wird das bereits praktiziert. Das gibt den Unternehmen Planungssicherheit und spart Gerichtskosten.

Es ergibt sicherlich Sinn, den Sachverhalt und das Hessische Ladenöffnungsgesetz zu evaluieren und zu schauen, ob die Regelungen wirksam sind bzw., falls nicht, wo verbessert werden kann. Diese Evaluierung wird nächstes Jahr beginnen. Bis dahin werden wir sehen, ob die Gespräche vor Ort funktionieren und ob eine gemeinsame Position gefunden werden kann. Wir GRÜNE sehen aber keinen Sinn darin, einen runden Tisch auf Landesebene einzurichten, der nichts weiter als eine symbolische Wirkung haben kann. – Vielen Dank.

Auszug aus dem Plenarprotokoll der 120. Sitzung, S. 8536 – 8538

Dieses Thema wird in der 131. Sitzung am 01.03.2018 erneut behandelt.

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