29. Oktober 2012

Ein Monat in Port Elizabeth/Südafrika

Wenn ich im Ausland bin, denke ich darüber nach, wie es wohl wäre an dem jeweiligen Ort zu wohnen. Das habe ich am Anfang hier auch gedacht und habe mich gleich wohl gefühlt. Nach dem knappen Monat, den ich jetzt hier lebe und arbeite, hat sich ein Alltag eingependelt, der mir sehr gut gefällt: Unser gemütliches Haus, die Nähe zum Strand, wo ich morgens manchmal Joggen gehe, bekannte Gesichter treffen (PE ist tatsächlich ein Dorf!) und trotzdem täglich Neues erleben.

Wie beispielsweise das Oktoberfest am Wochenende. Dieses ist kurioserweise DAS Highlight hier in PE, schon Wochen vorher haben uns alle gefragt, ob wir zum „German Bierfest“ gehen. Trotz relativ hohem Eintrittspreis von 7 Euro (normalerweise zahlt man hier keinen Eintritt für Clubs oder Partys) haben wir am Freitagabend ein sehr deutsche Erfahrung in Südafrika gemacht: Bierzelte waren aufgebaut, typisch deutsches Essen, Bier und die ganze Nacht hat eine Blaskapelle deutsche Schlager gespielt. Alle Südafrikaner haben mitgegröhlt und auf den Tischen und Bänken getanzt! Ein skurriler Abend, trotzdem hat es viel Spaß gemacht.

Wir warten hier noch immer auf den richtigen Sommer. Es gibt zwar wirklich schöne Tage, allerdings weht meistens ein sehr starker Wind, wodurch noch nicht so ein richtiges Strandwetter ist. Für uns zumindest nicht, die Südafrikaner gehen das ganze Jahr im Meer baden.

Zumindest können wir uns so gut auf unser Projekt konzentrieren. In der letzten Woche hatten wir ein Gespräch mit einer Frau, die uns mit in die Townships nehmen kann. Das ist nämlich gar nicht so einfach. Es werden zwar „Township-Touren“ für Touristen angeboten, die sind jedoch wenig authentisch. Außerdem finde ich die Vorstellung ziemlich pervers, dafür zu zahlen, um zu sehen wie Menschen in Armut leben. Einfach so können wir als Weiße und Frauen aber auch nicht in die Townships spazieren, das wäre naiv. Val, mit der wir das Gespräch hatten, arbeitet ehrenamtlich in den Townships, hilft den Frauen dort, kümmert sich um Kinder und koordiniert Spendenflüsse. Sie nimmt uns morgen mit in das Walmer Township, welches direkt neben dem Flughafen in PE liegt. Da es in den letzten Wochen übermäßig stark geregnet hat und viele Straßen und Wege überflutet bzw. weggebrochen sind, hat sie uns schon mal vorgewarnt. Das Township besteht aus einem „informal“ und einem „formal“ Teil. Formelle Townships sind strukturierter, haben teilweise richtige Straßen und die Hütten sollen nicht ganz so schäbig sein. Das sind auch die Townships, in denen die Touristen-Touren stattfinden. Die informellen Townships dagegen sind oft nur ein wild zusammengewürfelter Haufen Hütten, ohne richtige Wege, ohne Elektrizität und ohne Wasser- oder Abwasseranschluss. Die Potenziale, sowohl ökologisch als auch hinsichtlich sozialer Aspekte sind nach Val in den informellen Townships größer, da dort weniger Projekte umgesetzt werden und die Verfügbarkeit von Elektrizität oder Wasser ein großer Schritt wäre. Andererseits existieren dort oft keine verlässlichen Gemeinschaftsstrukturen und die Kriminalitätsrate ist höher. Überhaupt ist es sehr wichtig, verlässliche Partner in den Townships selbst zu finden und im ersten Schritt zu prüfen, was auch tatsächlich gebraucht wird. Val hat von vielen Projekten und Initiativen erzählt, die eingeschlafen sind, sobald die Projektverantwortlichen, die meist von außerhalb, oft sogar aus dem Ausland kommen, wieder gegangen sind. Das liegt daran, dass nicht ordentlich geprüft wurde, was tatsächlich benötigt wird und was auch langfristig eine Chance auf Fortbestand hat.

Am Freitag hatten wir außerdem ein Gespräch mit einem Energieeffizienz-Manager von Eskom, dem halb-staatlichen Energieversorger hier. Obwohl Südafrika relativ spät mit dem Zubau von Erneuerbaren Energien begonnen hat, verfolgt Eskom jetzt ambitionierte Pläne.  Auch im Bereich Energieeffizienz bewegt sich viel. Das Problem hier ist, wie schon im letzten Blogeintrag erwähnt, die stetig steigende Nachfrage nach Energie und die hohen Kosten, die mit dem Transport des Stroms einhergehen. Der Strommix in Südafrika besteht überwiegend aus Kohle und die meisten Kohleminen befinden sich rund um die Gegend von Johannesburg. (Dort finden auch die Demonstrationen statt, von denen auch die europäischen Medien berichten). Den Strom an die Küste zu transportieren kostet viel, weshalb die Energiekosten steigen, je weiter man von Johannesburg entfernt lebt. Durch die steigende Nachfrage nach Energie müsste Eskom eigentlich ein neues Kraftwerk bauen. Da dies aber immense Kosten mit sich bringt und außerdem Transaktionskosten hier sehr hoch sind, setzt Eskom jetzt verstärkt auf Energieeffizienzberatung. Die Einsparungsmöglichkeiten durch Effizienzsteigerung sind hier enorm. Alleine bei der Erwärmung von Wasser lässt sich viel sparen. Wasser wird hier im Allgemeinen von Durchlauferhitzern erwärmt, die den ganzen Tag laufen. Eskom hat vor einem Jahr ein Programm gestartet, bei dem Energieberater zu Privat- und Geschäftskunden gehen, Einsparpotenziale zeigen und Zeitschaltuhren, Energiesparlampen und ausschaltbare Steckerleisten kostenlos herausgeben.

Wir haben schon ein paar Ideen, welche Art von Projekt hier umgesetzt werden kann, müssen uns aber morgen im Walmer Township zunächst einmal ein eigenes Bild von der Situation machen und Interviews führen, was überhaupt benötigt wird.

Am Sonntag haben wir auch unsere erste Safari gemacht. Ca. 30 km außerhalb von PE ist ein Lion Park, wo es neben Löwen und Tigern auch Zebras, Giraffen Gazellen, Erdmännchen, Geparden etc. gab. Allerdings war ich etwas enttäuscht, es kam einem deutschen Zoo schon sehr nah, besonders wie die Löwen und Tiger dort gehalten wurden. Zumal Tiger ja eigentlich gar nicht hier in Südafrika leben. Anfangs fuhren wir mit unserem Auto durch den Park, wo rechts und links die Tiere standen und auch einfach mal eine Giraffe angaloppiert kam, um dann mitten auf der Straße stehen zu bleiben. Dann kamen wir zum Tiger- und Löwengehege, wo gerade die Fütterung stattfand. Das war zwar sehr beeindruckend, allerdings schon sehr touristisch und ich würde es mir nicht noch einmal anschauen. Auch Geparden, Erdmännchen, weitere Tiger und Löwen und kleinere Tiger waren in Gehegen untergebracht, die einem Zoo schon sehr ähnlich waren.

Eine Geschichte gibt es noch zum Auto zu erzählen. Der eine oder die andere weiß vielleicht schon über mein Glück mit Autos Bescheid – das scheine ich auch hier zu haben. Nachdem uns vor zwei Wochen das Autoradio geklaut wurde, kurz darauf die Kupplung kaputt war und das Auto eine Nacht in der Werkstatt war, habe ich letzte Woche fast einen Auffahrunfall verursacht, als mal so eben die Bremse versagt hat vor einer Ampel. Ich konnte gerade noch ausweichen, habe zwar ein kleines Verkehrschaos verursacht, sonst ist uns aber nichts passiert. Als wir völlig aufgelöst bei der Autovermietung anriefen um das Problem zu schildern, waren die Leute dort wenig beeindruckt und haben das Auto wieder für einen Tag abgeholt, uns einen Ersatzwagen gegeben und die Bremse ausgetauscht. Auch wenn jetzt so ziemlich alles „neu“ ist an dem Auto, haben wir dennoch ein anderes bekommen, was immerhin etwas neuer ist.

Noch ein paar kleine Geschichten: Dass Großprojekte hier so lange dauern, habe ich ja schon geschildert. Ich kann mir jetzt auch gut vorstellen warum: Jedes Mal wenn wir an einer (Straßen-)Baustelle vorbeikommen, stehen ungefähr 20 Arbeiter um die Baustelle herum und schauen einem Arbeiter zu, der tatsächlich etwas macht.

Auch von den Minibussen, die hier das Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs sind, habe ich schon erzählt. Diese haben wir letztens ausprobiert, da sie gar nicht so gefährlich sein sollen auf kurzen Strecken. Nur auf Überlandstrecken ist davon abzuraten. Die erste Fahrt in dem Minibus war aber gewöhnungsbedürftig: Aus den Lautsprecherboxen ertönte lautstark „My heart will go on“ von Celine Dion, der Bus war vollgepackt mit ca. 20 Personen – anfangs musste Keis sogar stehen, mit gebücktem Oberkörper –  und ich habe mich auf den Vordersitz gequetscht. Irgendwann während der 5-minütigen Fahrt entdeckte ich das Schild „Maximum 13 people“.

 

 

 

 

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