Vor 20 Jahren trafen sich die Staats- und Regierungschefs zum ersten Mal zu einer globalen Konferenz um den Wandel zu einer sozialen und ökologischen Zukunft zu beschließen. Angesichts von Globalisierung, Umweltverschmutzung und Ressourcenknappheit gab es schon vor 20 einen hohen Handlungsdruck. Die relativ unkonkreten Ziele des ersten Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung wurden allerdings kaum erreicht, bis heute überlasten wir die ökologische Tragfähigkeit unserer Erde im großen wie im kleinen Stil.
Auf der Konferenz Rio+20, die bis Sonntag wieder in Rio de Janeiro, Brasilien stattfand gelang die Festlegung konkreter und verpflichtender Ziele ebenfalls nicht. Obwohl wir sie so dringend benötigen! Die Klimakrise hat sich verschärft, die Biodiversität nimmt im dramatischen Umfang ab, Flächen werden in Rekordgeschwindigkeit übernutzt, Ressourcen werden immer knapper und hinzu kommt noch immer eine große soziale Ungerechtigkeit zwischen reichen Industrie- und armen Entwicklungsländern.
Wir in den reichen Industrieländern machen 20% der Weltbevölkerung aus. Dafür sind wir für ¾ der weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Mein Kommilitone Max Weber hat das ganze sehr anschaulich in einer Grafik dargestellt:
Diese offensichtlich unfaire Verteilung muss nicht nur gerechter werden, hinzu kommt die Herausforderung, unseren kompletten Ressourcenverbrauch um 50% zu verringern, um die ökologischen Grenzen nicht dauerhaft zu überschreiten.
In Rio haben solche Ungleichverteilungen und die Notwendigkeit zur Begrenzung nur am Rande eine Rolle gespielt. Auch der sozialen Verantwortung, die wir Industrieländer gegenüber den Entwicklungsländern haben, wurden unsere Vertreter nicht gerecht.
Wir haben unseren Wohlstand auf Kosten der Erde aufgebaut und durch unsere industrielle Revolution den Grundstein für den anthropogenen Klimawandel gelegt. Die Entwicklungs- und Schwellenländer fordern zu Recht ein, ebenfalls diesen – vergleichsweise kostengünstigen- Entwicklungspfad auf Basis fossiler Brennstoffe zu gehen. Doch das gibt die ökologische Tragfähigkeit unserer Erde nicht mehr her. Es liegt an den Industrieländern, das Prinzip der solidarischen Unterstützung, des Technologientransfers und der Entwicklungshilfe, welches wir in Rio 1992 zugesagt haben, zu erfüllen und eine Entwicklung zu ermöglichen, die auf Basis von Erneuerbaren Energien den Wohlstand mehrt.
Im Mittelpunkt von Rio+20 stand allerdings eine Entwicklung, die neben großen Chancen auch ein großes Risiko birgt: Die Green Economy. Als Baustein zu einer Nachhaltigen Entwicklung ist eine Grüne Ökonomie, in der unser Ressourcenverbrauch vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt werden soll, unerlässlich. Durch Effizienzsteigerung und technologische Innovationen, so lautet der Gedanke, können wir weiter Wirtschaftswachstum ankurbeln ohne einen Mehrverbrauch von Ressourcen.
Grüne Ökonomiewurde aber in Rio nicht als Baustein diskutiert, sondern als Allheilmittel unserer Probleme. Kein Wort von Einschränkungen, Grenzen oder dem dringenden Wandel unserer Lebensstile. Durch Grüne Ökonomie werden kaum Veränderungen von Bürgerinnen und Bürgern verlangt. Sie werden von jeglicher Verantwortung entbunden und können „business as usual“ verfolgen, ohne ein Wandel der Konsummuster o.ä. zu verlangen.
Das weit unterschätzte Problem bei dieser Fokussierung auf die Green Economy ist der Rebound Effekt, der bei so gut wie allen Effizienzsteigerungen eintritt. Wissenschaftler vom Wuppertal Institut erklären diesen Rebound Effekt ausführlich in einem gut strukturiertem Paper (Link). Am besten lässt sich der Rebound Effekt an einem Beispiel erläutern: Die Effizienzsteigerung bei Automotoren in den letzten Jahren war enorm. Ein heutiger Motor verbraucht im Durchschnitt mittlerweile nur noch ¼ des Kraftstoffes, den ein Motor früher verbraucht hat, gemessen an seiner Leistung. Gleichzeitig wurden Autos aber immer größer, schwerer, mit mehr Ausstattung und benötigten deshalb immer mehr Kraftstoff für den Antrieb, obwohl die Motoren effizienter geworden sind.
Der New Beatle zum Beispiel verbraucht 7,1 l/100km – kaum weniger als der Originalkäfer 1955 mit 7,5l!
Ein anderes Beispiel ist die Heizeffizienz. Während der Raumwärmebedarf pro m² seit 1960 durch bessere Dämmungen und effizientere Heizungen stark gesunken ist, steigt die Wohnfläche pro Kopf im gleichen Zeitraum stark an. Der Raumwärmebedarf pro Kopf ist deshalb weitgehend gleichgeblieben, obwohl starke Einsparungen durchaus möglich wären.
Wächst also das eine, werden Einsparungen in anderen Bereichen in den allermeisten Fällen aufgezehrt. Was eingedämmt werden muss, ist deshalb das Wachstum selber. Ein „Immer Mehr“ und „Immer Weiter“ wird jegliche Effizienzsteigerung stets wieder aufzehren.
Leider stand auch in Rio+20 Wachstum weiterhin im Vordergrund und Entwicklung und Wohlstandsmehrung wurde immer mit Wirtschaftswachstum gleichgesetzt.
Effiizienzsteigerung und Green Economy sind nur ein Teil des notwendigen Wandels. Der andere ist die Begrenzung, in unserem eigenen Handeln und den politischen Entscheidungen. Wenn jeder an sich selbst denkt, ist noch lange nicht an alle gedacht. Adam Smith hatte unrecht mit seiner Theorie, wenn jeder sein individuelles Selbstinteresse verfolge, mehre dies gleichzeitig automatisch die Wohlfahrt eines Gemeinwesens. Gemeingüter, also Güter wie Luft, Fischbestände im Wasser, die frei verfügbar, aber begrenzte Ressourcen sind, werden durch die individuelle Nutzenmaximierung nicht nachhaltig genutzt.
An dieser Stelle muss der Staat eingreifen und Grenzen ziehen: Die Fischbestände dürfen nicht dauerhaft ausgeschöpft werden und die Luft durch den Zubau immer neuer Start- und Landebahnen weiter verunreinigt werden. Es gibt viele Möglichkeiten die Lebensqualität zu mehren, zum heutigen Zeitpunkt werden aber vorrangig die Belange der Wirtschaft bei solchen Entscheidungen beachtet.
Verzicht und Grenzen sind politisch (noch) schwer durchsetzbar. Wandelt sich diese Einstellung und steht das „Gut leben“ statt „viel haben“ im Mittelpunkt, kann sich auch politisch einiges ändern. Vorerst treiben private Initiativen, Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt den Wandel zu umweltverträglicherem und nachhaltigerem Leben voran. Hier ist ein kleiner Auszug von dem, was jedeR einzelne tun kann:
- Geldwechsel zu einer Bank, die nicht mit Nahrung spekuliert
- Nutzung von Tauschbörsen, Verschenkplattformen und Verleihhäusern
- Produkte länger nutzen, reparieren oder gebrauchte Dinge kaufen statt neue
- Über die Themen reden und andere dafür sensibilisieren (die Kunst ist hierbei, nicht mit erhobenem Zeigefinger zu sprechen – bevormundet werden möchte niemand)
- Wohngemeinschaften, Fahrgemeinschaften, CarSharing
- Regional, saisonal und Fair Konsumieren, ein eigener Gemüsegarten?
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